Konzertierte ÖVP-Aktion fürs Durchsetzen der Verländerung aller LehrerInnen ist noch kein „Durchbruch“ (Pröll 2.3.2015).Artikel

von Reinhart Sellner

SPÖ in schulpolitischer Dauerdefensive, ratlos, im Umfrage-Tief und drum vielleicht doch kompromissbereit (?)
Wenn die Pressemeldungen vom Sieg der ÖVP-Landeshauptleute stimmen, dann geht der Ausverkauf sozial-demokratischer Positionen der als Bildungsbewegung angetretenen SPÖ an die ÖVP weiter. Der Finanzminister und die machtbewussten ÖVP-Landeshauptleute werden in dieser Frage vom SPÖ-Landesfürsten Niessl unterstützt und der Kurier titelt: „Alle Lehrer zu Ländern“.

 

Konzertierte ÖVP-Aktion
Herbeigeschrieben hat die „Revolution“ der Verwaltung aller125.000 LehrerInnen durch die 9 Bundesländer der ÖVP-nahe, im Mehrheitsbesitz von Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, Raiffeisen-Zentralbank und UNIQA stehende KURIER am 27. Februar. Tags darauf, am 28. Februar, nahm ÖVP-Landeshauptmann Pühringer „im Ö1-Journal zu Gast“ den Ball auf und legte ihn für ÖVP-Landeshauptmann Pröll auf, der am 1. März in der ORF-Pressestunde den bevorstehenden „Durchbruch“ ankündigte und das ÖVP-Entgegenkommen auf einer Nebenfront der Steuerreform (Registrierkassenpflicht) als Junktim vorstellte.

Die Zuständigkeit für Verwaltung und Einsatz der LehrerInnen ist aber keine Nebenfront des Bildungswesens. Das von der ÖVP abgesicherte landespartei- und standespolitische Nebeneinander von Landes- und BundeslehrerInnen hat anstehende demokratische und soziale Benachteiligungen überwindende Schulreformen verhindert.  
125.000 vom Bund bezahlte und eingesetzte BundeslehrerInnen sind eine Voraussetzung für sozial-integrative und individuell fördernde Schulen in Österreich
•    für eine zukunftsoffene, schultypenübergreifende Schulreform, vom ganztägigen Kindergarten bis zur gemeinsamen ganztägigen Pflichtschule
•    für eine Schul- bzw. Schulverbund-Autonomie zur Umsetzung bundesfinanzierter und bundeseinheitlicher Rahmengesetze, die nicht von Landespartei-Interessen gegängelt wird,
•    für eine bedarfsgerechte und transparente Zuweisung sozial indizierter Ressourcen an Schulen und Schulverbunde
•    für ein aufgabengerechtes, demokratisches LehrerInnendienstrecht – gleiche Arbeit und Arbeitszeit, gleicher Lohn, gleiche Mitbestimmungsrechte
Eine neunfache „Verländerung“ der LehrerInnen, die wie bisher alle vom Bund bezahlt, aber von den Landeshauptleuten nach politischem Gutdünken eingesetzt werden, kann mit einer von Pröll angekündigten „strengen Kontrolle durch das BMBF“, die stets im Nachhinein erfolgt, nicht kompensiert werden.
Demokratische und sozial-integrative Bildung in Österreich oder schwarzer Durchbruch
Historisch Interessierte wissen, dass die Sozialdemokratie Ende des 19. Jahrhunderts als Bildungsbewegung angetreten ist. Davon ist derzeit wenig zu merken. Anders die ÖVP, die sich gestützt auf Medien- und Wirtschaftsmächtige ungeniert und von einer anscheinend zu jedem Neuwahlen hinauszögernden Kompromiss bereiten Kanzlerpartei unbehelligt als Macher-Partei darstellen lässt, als Partei der Vermögenden, der Erben und Stifter, der Großgrund-, Wald- und Forstbesitzer, der Raiffeisen- und anderer Banken, der erfolgreichen Steuerhinterzieher und der sich selbst erneuernden Schicht der Bildungsbegüterten. Der Widerstand der FCG-GÖD, auch der der ÖVP-Bundes- und -Landespolitik verpflichteten FCG-AHS, gegen die von Raiffeisen, Pühringer und Pröll angekündigten schwarzen Revolution wird sich in Grenzen halten, wenn für alle Landesgymnasien die Langform garantiert wird.

 

Für eine soziale und demokratische Wende
Die Verländerung des österreichischen Bildungswesens ist zwar ÖVP-akkordiert und angesagt, aber noch nicht vollzogen. Bundeskanzler und SPÖ-VerwaltungsreformverhandlerInnen Bildungsministerin, Kanzleramtsminister und der Kärntner Landeshauptmann haben den ÖVP-Durchbruch nicht bestätigt, auch der burgenländische Landeshauptmann enthält sich eines Kommentars. Es wird an allen sozial, demokratisch und bildungsbewegt Engagierten, ihren Organisationen, Parteien und ihrer Zusammenarbeit liegen, ob es zur angekündigten Bildungs-„Revolution“ kommt oder zu einer sozialen Wende in der Bildungs- und Budgetpolitik. Podemos, wir können es. Auch in Österreich.
Reinhart Sellner, Unabhängiger GÖD-Gewerkschafter, 0676 3437521, sellner@oeli-ug.at  -  2.3.2015  

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Die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien ist gemeinsam mit der RZB und der UNIQA über diverse Holdinggesellschaften mehrheitlich an der KURIER Zeitungsverlag und Druckerei GmbH beteiligt. Minderheitseigentümer mit knapp unter 50% ist die Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlagsgesellschaft E.Brost & J. Funke GmbH & Co KG (WAZ-Gruppe). Die KURIER Zeitungsverlag und Druckerei GmbH ist Medieninhaber der Tageszeitung KURIER. Die Kompetenz für Blattlinie und Herausgeberschaft liegt ausschließlich im Bereich der österreichischen Eigentümer.

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